Skills sind Fähigkeiten und Fertigkeiten, um mit Stress-, Anspannungs- und Konfliktsituationen besser umgehen zu können. Ein Skill kann jedes Verhalten sein, welches uns langfristig nicht schadet, aber uns kurzfristig hilft. Die Anwendung von Skills nennt man Selbstfürsorge. Ursprünglich kommt der Begriff und Einsatz aus der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) und wurde für die Borderline Persönlichkeitsstörung entwickelt. Der Ansatz wird dabei in fünf Module unterteilt:
- Stresstoleranz
- Umgang mit Gefühlen
- Zwischenmenschliche Fertigkeiten
- Selbstwert
- Achtsamkeit
Je nach Anspannungsgrad werden die verschiedenen Bereiche angewendet. Im Alltag verwenden die meisten Menschen Skills bereits ganz intuitiv, ohne überhaupt darüber nachzudenken. Bist du schon mal spazieren gegangen, um den Kopf freizubekommen? Das war ein Skill. Bei hoher Anspannung hilft in der Regel ein einziger Skill nicht, dafür aber sind Skillketten besonders wirkungsvoll.
Nur, was sind Skillketten?
Skillketten sind mehrere aufeinanderfolgende Skills, die in einer bestimmten Reihenfolge angewendet werden. Die perfekte Musterkette an Fertigkeiten gibt es nicht. Jeder Mensch ist individuell und auch wo man sich gerade befindet, spielt eine große Rolle. So helfen dem einen Hirn-Flick-Flacks. Das sind Übungen im Kopf wie von 1000 in 13er Schritten runterrechnen, oder 5,4,3,2,1 Sinne Übung (in der Skillsliste erklärt) dem nächsten ein körperlicher Skill, wie Hampelmänner machen und so weiter.
Wichtig ist bei Hochstress, dass der erste Skill ein Wachrüttler sein sollte. Also ein Skill, der einen aus der eingeschränkten Sichtweise, dem Tunnelblick rausreißt, in dem man sich befindet, wenn man in Hochspannung ist. Weg vom Auslöser des Hochstresses, hin zum runterskillen. Amoniak, Chilli, Finalgonsalbe oder eine eiskalte Dusche sind die bekanntesten. Danach folgen vier weitere.
Ein Skill muss sich nicht immer angenehm anfühlen, gerade in Hochspannung sind unangenehme, anstrengende Skills die wirksamsten.
Aber was ist eigentlich Hochspannung?
Hohe Anspannung erfahren die meisten Menschen nur selten. Ein Todesfall in der Familie oder im Freundeskreis, durch den Verlust eines geliebten Haustieres, bei einem Beziehungsaus, durch Jobverlust, in Gefahrensituationen oder ähnliches, kann sie ausgelöst werden.
Bei uns Borderlinern reichen oft schon Triggermomente. Das können Konfliktsituationen sein, die uns Ablehnung fühlen lassen, es reichen aber oft auch schon einzelne Worte oder Sätze, ein Klang einer Stimmer oder von Musik, um uns in Anspannung zu versetzen, welche rasant ansteigt bis wir in der Hochspannung landen. Aber auch das Aufkommen eines Gefühls, das wir als schlecht erachten (z. B. bei Ärger / Wut – ich darf nicht wütend sein) kann Hochspannung verursachen.
Die Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens gemacht haben, ist in uns, wie in einer Art Archiv gespeichert. Erleben wir eine Situation, läuft unser Archiv die ganze Zeit mit und bewertet sie anhand der Erfahrungen, die wir bereits in ähnlichen Momenten gemacht haben.
Angst davor, nachts allein durch die Straßen zu gehen
Bist du mal nachts allein nach Hause gelaufen und hattest Angst vor einem fremden Mann der den gleichen Weg ging? Angst vor ihm solltest du eigentlich nicht haben, schließlich kennst du ihn nicht. Aber deine Erfahrungen haben dich gelehrt, vorsichtig zu sein.
Die Emotion Angst springt an und sagt dir: wechsel die Straßenseite. Anspannung entsteht jedes Mal dann, wenn du dem Handlungsbefehl einer Emotion nicht folgen willst, weil es dein Archiv nicht zulässt. Wenn ich also gelernt habe, Angst haben ist feige, laufe ich nicht davon. Irgendwas muss ich aber tun.
Also komme ich zum Sekundärgefühl Mut: Mut sagt: dreh dich zu ihm um, biete ihm die Stirn, sprich ihn an, sieh ihn an. Aber diesem Handlungsstrang traust du dich auch nicht zu folgen, also switcht du wieder zurück. Durch dieses ständige hin und her ohne Lösung gerätst du in Anspannung. Hält diese Situation zu lange an, entsteht daraus Hochspannung.
Disfunktionales Verhalten in Hochspannung
Im Hochstress ist man nicht mehr in der Lage klar zu denken. Wir Borderliner, aber auch einige andere Menschen greifen in diesen Momenten oft zu selbstverletzendem Verhalten, vom klassischen Ritzen, zu Drogen-, Alkoholkonsum, über anhaltende Beleidigungen der eigenen Person, stürzen in Gefahrensituationen, Essstörungen, bis hin zum Beenden oder schädlichem manipulieren von uns gut tuenden Beziehungen, wie die mit unserem Partner, einem Familienmitglied oder eines Freundes.
Deshalb ist es besonders wichtig, für den Abbau von Anspannung, wirksame Alternativen zu finden. Hier kommen die Skills ins Spiel. Skills sind nur solche Fähigkeiten, die uns langfristig nicht schädigen. Wichtig ist es:
- zu verstehen was Skills sind
- wann man sie anwendet
- wie sie angewendet werden
- die verschiedenen Bereiche zu kennen
- unterschiedliche Skills kennenzulernen.
Danach folgt die Anpassung an deine individuellen Bedürfnisse:
- Was wirkt für dich gut in Hochstress?
- Was hilft dir in Anspannung – in welcher Art von Anspannung besonders?
- Welche Skills helfen dir gar nicht?
Hast du deine Skills gefunden, ist es wichtig sie zu üben. Aber bitte nur dann, wenn du nicht zu angespannt bist.
Gibt es auch positive Anspannung?
Ja, es gibt auch positiven Stress. Ein niedriges Anspannungslevel lässt uns handeln. Schon wenn wir morgens aufstehen, arbeiten, tanzen, Sport machen, kreativ sind etc. sind wir angespannt. Allerdings schädigt uns diese Anspannung nicht. Schädlich wird es immer dann, wenn etwas zu viel wird. Wenn es anfängt uns mehr zu belasten, als uns zu motivieren. Denn steigt die Anspannung über genau diesen Punkt, wird sie weiter steigen, wenn wir keinen Ausgleich schaffen. Sprich einen Soft Skill anwenden.
Was uns dann letztlich wieder in die Hochspannung führt, aus welcher du nur durch die Anwendung deiner Skillskette verhältnismäßig schnell und ohne langfristigen Schaden herauskommst. Um das gewährleisten zu können, ist es von Vorteil einen Skillskoffer bei sich zu haben.
Was ist ein Notfallkoffer?
Der Notfallkoffer ist ein kleiner Behälter oder eine Tasche, die man immer bei sich hat oder auch zu Hause, leicht zu erreichen, stehen hat. Darin befindet sich deine für die Hochanspannung zu verwendene Skillskette handschriftlich aufgeschrieben und ggf. Utensilien, die du dafür brauchst. Das können Hilfskarten sein mit der Beschreibung einer körperlichen Übung oder der Anwendungserklärung eines Hirn-Flick.Flacks oder aber Gegenstände, Essbares, Salbe… Gut ist es auch den Partner oder Familienmitglieder darüber aufzuklären, solltest du mal Hilfe bei der Durchführung der Skillskette benötigen.
Good to know about skills
Skills können auch Fähigkeiten und Fertigkeiten sein, die dir helfen einen Konflikt zu lösen. Zum Beispiel die Fähigkeit:
- der gewaltfreien Kommunikation
- um Hilfe zu bitten und dabei vorher zu überprüfen, ob die Bitte angemessen ist
- nein zu sagen
- überprüfen, ob jmd. in einer bestimmten Situation zu helfen, dir längerfristig schadet
- Überprüfung, ob meine Emotion in der Intensität, wie ich sie gerade erlebe, angemessen ist
Wenn du mehr über das Thema wissen willst oder Unterstützung beim Finden deiner passenden Skills benötigt, tritt doch als Fördermitglieder unserem Verein bei – wir helfen dir gerne.
Beitrag von Denise Greve