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Die Augenbrauen zusammengezogen, die Lippen aufeinander gepresst, sieht sie mich an, während wir vor der Boutique stehen.

 

Selbstverliebt, ist das wirklich schlecht?

Müde, Gedankenverloren, Konzentration,

‘Selbstliebe’, dieses Wort boomt. Beobachtet man soziale Medien in den vergangene Jahren, wird klar: Das Thema ist in aller Munde. Ob auf Facebook und Instagram-Profilen von Jung und Alt: ‘Selbstliebe’ ist der Trend schlechthin. Coaches ermutigen uns zur Stärkung des Selbstvertrauens und der Selbstliebe. Oder wir sehen das Profil der Frau von nebenan, die wir auf ihrem Weg zur Selbstliebe begleiten können.

Natürlich sind auch Firmen aller Art mit von der Partie. Mode, Wohnaccessoires, Fitness, es wird vieles mit den Konzept, dem Begriff der ‘Selbstliebe’ assoziiert. So viele schmeißen mit diesem Wort um sich, als wäre es ein aktuelles Schnäppchen, dass man beim Kauf eines Artikels oder Abonnements gratis dazu bekommt. Doch ich frage mich: – Ist das wirklich alles Selbstliebe?

Müde vom langen Tag sitze ich am PC, die Schultern und der Nacken schmerzen, die Konzentration lässt nach. Gedankenverloren blicke ich immer wieder aus dem Fenster und versuche die richtigen Worte zu finden.

Selbstliebe, Selbstliebe, Selbstliebe … wie ein stilles Gebet an mich selbst.

Was ist Selbstliebe denn nun?

Und: Haben wir nicht von Kleinkauf gelernt das Selbstverliebt sein etwas Schlechtes ist?

Deutschland ist immer noch stark durch christliche Werte geprägt. Selbstloses Handeln gilt dadurch nach wie vor als eine Tugend. Die Bezeichnung Selbstverliebt gilt als Beleidigung. Sich selbst keinen Raum geben, immer für Andere da sein, ‘das letzte Hemd geben’- das sind anzustrebende Haltungen. Es kommt uns daher moralisch verwerflich vor, unsere Wünsche an erster Stelle zu sehen.

Aber haben wir nicht viel mehr Kraft, wenn wir uns auch um unsere Bedürfnisse kümmern?

Meine Hand streicht über mein Haar, ich strecke mich etwas, während mein Blick über meinen Arm wandert. Ein Teil meines Tattoos  ‘your focus determines your reality‘ ist zu sehen. Ich habe mir den Spruch stechen lassen, als ich zu verstehen begann, wie mein Fokus meine Denkweise und Sichtweise einschränkt. – Viel weitreichender als erwartet.

 

Kennst du das, wenn du morgens aufwachst und den ganzen Tag das Gefühl hast, du seist mit dem falschen Fuß aufgestanden?

Die Nacht war zu kurz, doof gelegen hast du auch noch. Dein Kopf tut weh, der Rücken schmerzt und du bist müde. Schon nach den ersten tapsigen Schritten aus dem Bett, stößt du mit dem Fuß gegen die Ecke des beschissenen Regals. Zu allem Überfluss bleibst du unter lautstarkem Fluchen im Sprung den pochenden Fuß haltend, an der Türklinke hängen, die dir gleich den nächste Schmerz verpasst …

Die Probleme ziehen sich den restlichen Tag durch wie ein roter Faden. Unsere Wahrnehmung ist nur auf die negativen Aspekte fixiert und rauben uns sehr viel Kraft. Positive Momente nehmen wir dann meist gar nicht mehr wahr. – Selbsterfüllende Prophezeiung. Das Gleiche passiert, wenn wir unsere Bedürfnisse ignorieren, um Anderen zu helfen.

Bedürfnisse, Sprung, Fluchen, reality, focus
Freundinnen, Streit, Auseinandersetzung, fassungslos, selbstverliebt

‘Es ist doch nur eine Shoppingtour’

‘Komm doch mit zum shoppen’ ich, totmüde nicke, erinnere mich, dass ich am Telefon bin und ‘Ja’ sagen muss. – Aber ich sehe sie ja nicht so oft und sie ist ja auch immer für mich da … geht mir durch den Kopf.

‘Nur noch ein Geschäft’. Ich lächle sie an, ‘na gut’ sage ich. Die Verkäuferin dort, empfiehlt uns einen weiteren Laden, meine Freundin sieht einen Moment total begeistert aus, aber dann schaut sie mich etwas bedrückt und zweifelnd an. ‘Na los, da schauen wir auch noch kurz rein’ sage ich – Ich möchte nicht, dass sie enttäuscht von mir ist. Auch nach ihrer Nachfrage, ob das wirklich okay für mich sei, bejahe ich dies ihr gegenüber lächelnd. – im Hinterkopf der Haushalt, der leider auch noch ansteht, wenn ich zu Hause bin.

Auch nach dem letzten Laden findet sie nicht das passende Kleid. Enttäuscht sagt sie mir, dass ich heute gar nicht richtig für sie da war. Ich – völlig fassungslos – frage mich wie egoistisch eine Person nur sein kann. Wir streiten. ‘Sei nicht so Selbstverliebt’ wirft sie mir an den Kopf, nachdem ich ihr aufgezählt habe, auf was ich für sie alles verzichtet habe, um ihr blödes Kleid zu shoppen.

Die Wahrheit ist, das war ich leider ganz und gar nicht! Hätte ich auf mich gehört und Zeit für mich genommen, hätte ich an einem anderen Tag mit Energie und Spaß meiner Freundin beistehen können. Stelle ich häufig meine Bedürfnisse hintenan, ohne mir Freiräume für mich zu schaffen, kann ich für Menschen die ich liebe nicht richtig da sein.

Die Fragen, die ich mir stellen muss, lauten:

Wem will ich meine Zeit geben? Gestatte ich es mir, mich selbst zu lieben und an die erste Stelle zu setzen? Erwarte ich von Anderen immer für mich da zu sein? Und wenn ja, wie oft fühle ich mich dann enttäuscht? Ziehe ich aus der Aufmerksamkeit meiner Freunde / Familie / Partner meine Bestätigung für meinen Selbstwert und mache deshalb so viel für sie, um Bestätigung zurückzubekommen? Oder kann ich mir durch Selbstliebe, Selbstakzeptanz und Selbstachtung meinen Selbstwert alleine bestätigen?

Beitag von Denise Greve