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Mein erster Tiefpunkt

Es war Februar 2020. Wie jedes Jahr um diese Zeit befand ich mich in der Fasnetshochsaison (Karneval). Jedes Wochenende auf Tour mit meiner Tanzgruppe, von Auftritt zu Auftritt, von Umzug zu Umzug. Zu diesem Zeitpunkt war uns allen noch nicht klar, dass wir auch nach der Fasnet, weiterhin Maske tragen werden.

Im März dann der Tiefpunkt. Mein Vater, der im Vorjahr seine Krebsdiagnose bekam, starb. Danach ging es für mich bergab. Ich kam mit dieser Situation nicht klar. Fühlte mich doch noch wie ein Kind, ich brauchte ihn, auch wenn wir nicht viel Kontakt hatten. Ich nahm mir vier Wochen Pause auf der Arbeit, ließ mich krankschreiben, um diesen Verlust zu verarbeiten. Doch die Pandemie versetzte mich in eine Zwangspause. Im April kam die Nachricht, dass ich ab sofort in Kurzarbeit musste. 24/7 zu Hause in meiner kleinen Wohnung, keine Freunde, die man treffen durfte – ich war also mit mir selbst konfrontiert.

Täglich diese Gedanken. Keine Kraft mehr für die alltäglichen Dinge. Das Wissen allein zu sein, allein durch diese Situation zu müssen. Ich zweifelte. Ich zweifelte an mir, an meiner Familie, an meinen Freunden und an allem, was bisher Sinn ergab. Was brachte es mir, morgens aufzustehen, wenn der Weg nirgendwo hinführte? Nichts stimmte mehr und somit verschwand immer mehr mein ICH, wenn ich mich im Spiegel betrachtete.

 

Meine Maske: Die Starke

Mir war zu jeder Zeit bewusst, dass sich etwas ändern musste. Dass es so nicht weitergehen konnte. Aber wie? Was sollte ich tun? Ratschläge von Freunden und Bekannten wurden gekonnt verdrängt. Und den Begriff „Depression“ schob ich vor mich hin, oder übermalte ihn nach den ersten Corona-Lockerungen mit Partynächten.

Mir war es unfassbar wichtig, vor anderen stark zu wirken. Nicht zu zeigen, dass ich im Moment innerlich zerbreche. Am liebsten hätte ich oft nur noch vor Angst, Wut und Schmerz geschrien. Doch ich war die Älteste in meinem Freundeskreis und wollte immer ein gutes Vorbild sein. Ich wollte beweisen, dass es nicht schlimm ist, Rückschläge zu erleben. Ich bin Steffi, ich habe viel durchgemacht, aber auch viel geschafft.

Im Sommer kam dann ein Hoch für mich: bestes Wetter, tolle Menschen, ein neuer Arbeitsplatz. Ich dachte mir: Jetzt aber! Wieder einmal hatte ich es geschafft, stark zu sein und meinen Weg zu gehen.

 

Beziehung im Herbst – die Maske hält

Es war zum Ende des Herbstes, der Winter begann gerade, als ein Mensch in mein Leben trat, der mir das Gefühl gab, das Glück zurück in mein Leben zu bringen. Er stellte mein Leben vorerst auf den Kopf. Völlig überstürzt, aber absolut glücklich haben wir uns eine Wohnung gemietet, wir wollten uns dort ein Zuhause schenken. Uns das geben, was wir all die Jahre gesucht haben.

Doch schon vor dem Einzug kam es immer wieder zu Problemen. Er wusste von meiner holprigen Vergangenheit und versicherte mir, dass ich ihm vertrauen und immer alles erzählen könne. Also vertraute ich ihm meine Sorgen an, doch in Streitsituationen verwendete er das gegen mich. Seine Aussage: „Ich bin für dich da und werde dafür sorgen, dass es uns gut geht“ klang leider auch schöner als es tatsächlich gemeint war. Denn es führte dazu, dass er mir das Gefühl gab, meine Freunde und Familie wären nicht gut für mich. Er wäre mein einzig wahrer Bezugspunkt, dem ich mich wirklich anvertrauen könnte und sollte.

Ich glaubte und vertraute ihm, was dazu führte, dass ich mich immer weiter hineinziehen ließ in die toxische Beziehung. Eine Beziehung, die mich Freundschaften kostete, die ich jahrelang aufgebaut habe. Eine Beziehung, die mich von Menschen trennte, die ich zu meiner Familie gemacht habe. Auch kostete die zunehmende Selbstisolation mich letztlich meinen Job, weil ich immer unzufriedener wurde, mit mir und meinem gesamten Umfeld.

 

Neue Perspektiven – die Maske fällt

Schritt für Schritt habe ich mich immer mehr in einer Welt verloren, in der ich dachte, leben zu wollen. Schließlich kam ich an den Punkt, an dem ich merkte, dass ich mir nun Hilfe suchen sollte. Dabei half mir eine Bekannte – nein, eigentlich ist sie keine Bekannte, sie ist meine Geschäftspartnerin und mittlerweile auch irgendwie mein persönlicher Coach. Sie nahm mich an die Hand, und half mir bei den ersten Schritten.

Wir haben gemeinsam ein Profiling durchgeführt, ursprünglich um zu sehen, welche Stärken ich habe und wie ich diese einsetzen kann. Ziel war es, eine geeignete Arbeitsstelle zu finden. Doch das Ergebnis dieser Auswertung war erschreckend für mich. Ich las meine Stärken, Bereiche, die ich gar nicht mehr wahrgenommen habe. Meine Empathie, der ich nie sehr viel Bedeutung, geschweige denn einen Wert zugesprochen habe. Meine lösungsorientierte Denkweise und meine Entschlossenheit, der ich mich nicht mehr widmen konnte, weil ich mich von den Aussagen meines Partners beeinflussen lassen habe. Heulend hatte ich schwarz auf weiß vor mir liegen, dass ich einiges auf dem Kasten habe, es aber nicht anwenden kann, weil bestimmte Verhaltensweisen und Denkmuster sich seit Jahren bei mir eingeschlichen haben.

Die Erkenntnis meines fehlenden Selbstvertrauens und Selbstwertgefühls war äußerst schmerzhaft. Nichts tut mehr weh, als sich seiner eigenen Schwachstelle bewusst zu werden. Es war die Zeit gekommen, meine Maske fallen zu lassen und einen neuen Weg einzuschlagen.

Weitere Hilfe bekam ich bei meiner Krankenkasse. Gemeinsam suchten wir nach einer geeigneten Therapeutin, um ein Erstgespräch zu vereinbaren. Dieses fand dann im Mai statt. Ich hatte sehr große Angst! Ich wusste, dass es mir helfen wird, aber ich wusste auch, dass es sehr anstrengend werden kann, mit sich selbst konfrontiert zu werden. Ein Wechselbad der Gefühle war das, das kann ich euch sagen. Es kann manchmal weh tun, sich selbst immer wieder von außen zu betrachten, aber nur so erkennt man, was gerade das Problem ist und findet schneller eine Lösung, damit umzugehen und das Problem zu beheben.

 

Wandel – ein Leben ohne Maske

In der Therapie lernte ich einen Blick von außen auf mich zu werfen. Das hilft mir, mich selbst neutral wahrzunehmen und Situationen zu beurteilen, anstatt mich von meinen Erfahrungen und Emotionen leiten zu lassen. Dadurch habe ich aufgehört, vorschnell zu urteilen und fühle mich befreiter. Emotionen engen ganz schön ein. Ich weiß jetzt, welche Bedürfnisse ich habe und wie ich mit ihnen umgehe.

Mittlerweile haben wir August 2021. Ich befinde mich an einem Punkt, an dem ich fokussierter bin denn je. Ich habe im vergangenen halben Jahr Dinge getan, auf die ich nicht stolz bin. Aber ich habe mich auch Herausforderungen gestellt, die dazu führen, dass sich meine aktuelle Situation langsam zum Positiven wendet. Ich habe mich getrennt. Nicht nur von meinem toxischen Partner, sondern auch von meinen inneren Kritikern.

Natürlich habe ich noch Gedanken, die mich runterziehen, aber ich habe gelernt, diese zu durchdenken und zu sortieren. Ich weiß mittlerweile, warum mich manche Sachen etwas mehr beschäftigen, als andere. Ich habe gelernt, wie wichtig die richtigen Menschen sind, um persönlich weiterzukommen. Und vor allem weiß ich, dass das Leben weiter geht, wenn man anfängt, darüber zu sprechen.

Ich habe gelernt, meine Maske fallen zu lassen!

Beitrag von Steffi