Mit dem Projekt Queere-Kämpfende soll Angehörigen des Militärs, welche sich LGBTQIA* definieren oder der queeren Community zugehörig fühlen, eine Stimme verliehen werden. Basierend auf Methoden der Oral History werden dazu Interviews durchgeführt, welche ihre Rolle in den Streitkräften in den Fokus nehmen. Ziel ist es unter anderem, so die Akzeptanz in der Community, aber auch die Situation der Interviewten in der Gesamtgesellschaft ihres Landes zu untersuchen.

Die Ergebnisse bereiten Mitglieder unseres Vereins sowie weitere am Projekt Beteiligte multimedial auf. Derzeit werden Interviews mit der LGBTQIA*/Queeren-Community angehörigen Mitgliedern mehrerer europäischer Streitkräfte durchgeführt.

In diesem zweiten Teil der dreiteiligen Serie soll der aktuelle Stand in Deutschland, in der Bundeswehr dargestellt werden. Teile dieser Beiträge wurden im Rahmen einer Studienarbeit verfasst. 

Obwohl Homosexualität 1969 formell entkriminalisiert wurde, bedeutete dies noch kein Ende der Diskriminierung queerer Soldat:innen. 

Zwar hatte zuvor schon der Verdacht auf mögliche ‚homosexuelle Neigungen‘ bei Kamerad:innen ausgereicht, um deren berufliche und gesellschaftliche Stellung ernsthaft zu gefährden. Doch die Ausmusterung aus der Bundeswehr drohte homosexuellen Männern noch bis ins Jahr 1979, ihre Beförderungsmöglichkeiten waren auch 1984 noch begrenzt und für Führungspositionen kamen sie nicht in Frage. Zwar galt offiziell das private Leben von Soldat:innen als irrelevant – dennoch sahen sich homosexuelle Angehörige der Bundeswehr regelmäßig mit ihrer Entlassung konfrontiert. Von einem beginnenden Wandel lässt sich letztlich erst nach Ende des Kalten Krieges sprechen.

Neue Schwerpunkte wurden gesetzt fort von Kampf und Abschreckung und hin zur Friedenssicherung – und so begann auch der Soldatenberufs langsam eine neue Bedeutung anzunehmen. Nicht zuletzt deshalb gab die Truppe nun auch alle militärischen Verwendungen für Frauen frei. Neue Erlasse zum Umgang mit Sexualität und Anti-Diskriminierungsregelungen zielten darauf ab, die Streitkräfte nicht nur attraktiver für homosexuelle Kamerad:innen zu gestalten, sondern auch dienstlichen diskriminierungsbedingten Nachteilen entgegenzuwirken. 

Bis heute scheint jedoch dieser Transformationsprozess noch keinen tiefgreifenden Wandel der Mentalität zahlreicher Bundeswehrangehöriger verursacht zu haben. So wird in Interviews mit Soldat:innen schnell klar, dass sich die Selbstwahrnehmung nicht maßgeblich geändert zu haben scheint.
Waffenferne Tätigkeiten werden hierbei beispielsweise häufiger als Aufgabenbereiche identifiziert, die im Schwerpunkt weiblichen Angehörigen der Streitkräfte zukommen sollten, die militärische Norm hingegen solle sich weiterhin am Bild des traditionellen Kampfsoldaten orientieren, der stets auch als Grundlage einer Abgrenzung ‚echter‘ Männer von ‚unechten‘ herangezogen werden kann.

Vor diesem Hintergrund kann Homosexualität noch immer als Gegenbild militarisierter Männlichkeit verstanden und eine Differenzierung von diesem notwendig gemacht werden. Auch homophobe Äußerungen gehören in zahlreichen Einheiten noch immer zum militärischen Alltag. Dieser Umstand zeigt: Toleranz und Offenheit lassen sich nicht einfach per Befehl verordnen; eine tiefgreifende Änderung der im Truppen-Alltag gelebten Weltanschauungen und Überzeugungen wird Zeit und weitere Anstrengungen auch von Seiten militärischer Führungskräfte in Anspruch nehmen. Grundbausteine hierfür können bereits hinsichtlich der im Rahmen der Grundausbildung vermittelten Soldaten-Identität gelegt werden.
Projekte des Zentrums Innere Führung, die sich mit dem innerhalb der Bundeswehr vermittelten Bild von Männlichkeit und Soldatentum auseinandersetzen, aber auch mit Diskriminierungserfahrungen, wie die Studie von Dr. Storkmann, können hierbei wichtige Anhaltspunkte liefern.