Achtsamkeit: Mehr als nur ein Trend – Ein bewährter therapeutischer Ansatz

Von der Meditation zur Therapie: Wie Achtsamkeit unser Leben verändern kann
Achtsamkeit ist längst kein bloßer Trend mehr, der von esoterischen Coaches propagiert wird. Sie ist vielmehr ein fundierter therapeutischer Ansatz, der mittlerweile in verschiedenen Psychotherapien erfolgreich eingesetzt wird, um Menschen bei der Bewältigung von psychischen Herausforderungen zu unterstützen.
Achtsamkeit: Was steckt wirklich dahinter?
Achtsamkeit bedeutet, im Moment präsent zu sein – bewusst und ohne zu urteilen. Sie hilft uns, nicht in der Vergangenheit zu verharren oder uns in Sorgen um die Zukunft zu verlieren. Stattdessen richtet sich der Fokus auf das „Jetzt“, auf das, was wir gerade erleben. In einer Welt, die oft von Stress und Ablenkungen geprägt ist, bietet Achtsamkeit einen wertvollen Ausweg, um klarer zu denken und gelassener zu handeln.
Dieser Ansatz stammt ursprünglich aus der buddhistischen Tradition, die werden wir in einem anderen Beitrag näher ausführen. Heutzutage hat sie aber längst Eingang in die westliche Psychotherapie gefunden. Was uns oft als „New-Age“ erscheinen mag, ist in der Therapie längst etabliert und hat sich als wirksames Werkzeug zur Heilung und Stärkung des psychischen Wohlbefindens erwiesen.
Achtsamkeit in der Therapie: Ein revolutionärer Ansatz
Es handelt sich hierbei nicht nur um eine Entspannungstechnik, sondern um ein tiefgreifender therapeutischer Mechanismus. Sie ermöglicht es, Gedanken und Gefühle zu beobachten, ohne automatisch zu reagieren – eine Fähigkeit, die in vielen psychischen Erkrankungen von zentraler Bedeutung ist.
Achtsamkeit in der Psychotherapie
Achtsamkeit wird mittlerweile in vielen psychotherapeutischen Konzepten als zentraler Bestandteil verwendet. Sie hilft Menschen, emotionale Herausforderungen und psychische Störungen auf eine andere Art und Weise zu begegnen. Besonders bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen zeigt sich die Wirksamkeit von Achtsamkeit.
Für eine Reihe von psychischen Störungen, wie Angststörungen, Depressionen, Zwangsstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, Essstörungen, Borderline-Persönlichkeitsstörungen oder Abhängigkeitserkrankungen, existieren inzwischen speziell entwickelte Psychotherapiekonzepte, die Achtsamkeit integrieren. Achtsamkeitsbasierte Therapiemethoden gehören zur „dritten Welle“ der Verhaltenstherapie und umfassen verschiedene Arten der Achtsamkeitspraxis, die sich in das Behandlungskonzept einfügen.
In welchen Therapiekonzepten wird Achtsamkeit konkret eingesetzt?
- Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR): Dieses Programm wurde entwickelt, um Menschen dabei zu helfen, mit Stress besser umzugehen. Es nutzt Achtsamkeitstechniken, um eine achtsame Haltung gegenüber Stressfaktoren zu entwickeln und so die Auswirkungen von Stress zu verringern.
- Mindfulness-Based Cognitive Therapy (MBCT): Besonders hilfreich für Menschen, die immer wieder unter Depressionen leiden. In dieser Therapieform hilft Achtsamkeit, negative Gedankenmuster zu erkennen und zu durchbrechen, bevor sie die Stimmung weiter verschlechtern.
- Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT): Diese Therapie hilft besonders bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen, indem Achtsamkeit genutzt wird, um emotionale Instabilität zu regulieren und eine verbesserte Selbstwahrnehmung zu entwickeln.
- Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT): Achtsamkeit ist hier ein zentrales Werkzeug, um Gedanken und Gefühle zu akzeptieren, ohne gegen sie anzukämpfen. Ziel ist es, sich auf das zu konzentrieren, was im Leben wirklich zählt, anstatt in der Vergangenheit oder Zukunft zu verharren.
- Euthyme Therapie: Diese Therapieform nutzt Achtsamkeit, um positive Aktivitäten und Erlebnisse bewusst wahrzunehmen und zu fördern. Im Fokus steht die Selbstfürsorge und die Übernahme von Verantwortung für das eigene Wohlbefinden, anstatt diese Verantwortung bei anderen zu suchen.
Warum Achtsamkeit so effektiv ist
Sie wird nicht nur genutzt, um den Stress zu lindern – sie hilft auch dabei, negative Denkmuster zu erkennen und bewusst zu verändern. Sie fördert die Selbstwahrnehmung und stärkt die emotionale Resilienz. In vielen therapeutischen Ansätzen wird Achtsamkeit eingesetzt, um Menschen aus ihren automatisierten Reaktionen herauszuholen und ihnen zu ermöglichen, bewusstere Entscheidungen zu treffen.
Wer achtsamer wird, nimmt sein Leben intensiver wahr!
Es geht darum, die Kontrolle über das eigene Denken und Fühlen zurückzugewinnen – und das hat nicht nur in der Therapie, sondern auch im Alltag tiefgreifende Auswirkungen. Denn wer achtsamer wird, nimmt sein Leben intensiver wahr und kann in stressigen Situationen gelassener reagieren.
Hier einige Studien, welche die Wirksamkeit von Achtsamkeit belegen
Auf die erste bin ich durch einen Blogbeitrag von MBSR Kurs Köln aufmerksam geworden:
Meditation Programs for Psychological Stress and Well-being, veröffentlicht in der Fachzeitschrift JAMA Internal Medicine, zeigt, dass Achtsamkeitsmeditation bei der Linderung von Symptomen wie Angstzuständen, Depressionen und Schmerzen helfen kann. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Achtsamkeit eine positive Wirkung auf die psychische Gesundheit hat, wobei der Effekt als moderat betrachtet wird.
Die Studie: „Effects of Mindfulness on Psychological Health: A Review of Empirical Studies“ habe ich auf Pub Med Central entdeckt.
Sie besagt, dass Achtsamkeit verschiedene positive Auswirkungen auf die Psyche haben kann, wie zum Beispiel ein gesteigertes Wohlbefinden, weniger psychische Belastungen, eine gelassenere Reaktion auf emotionale Herausforderungen und eine bessere Selbstkontrolle im Alltag.
Ebenfalls auf PMC zu finden ist die Metastudie: Mindfulness-based interventions for psychiatric disorders: A systematic review and meta-analysis
Sie zeigt, dass Achtsamkeit besonders bei bestimmten Problemen gute Ergebnisse erzielt, zum Beispiel bei Depressionen, Schmerzen, Rauchen und Suchtverhalten. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass achtsamkeitsbasierte Methoden wirksame Behandlungsmöglichkeiten sein können.
Die kleine Studie Mindfulness-Based Cognitive Therapy as a Treatment for Chronic Depression: A Preliminary Study zeigte, dass sich die Mindfulness-Based Cognitive Therapy (MBCT) positiv auf Depressionen auswirken kann. In der MBCT-Gruppe sanken die selbstberichteten Depressionssymptome von einem schweren auf ein mildes Niveau, während es in der Vergleichsgruppe (Treatment as Usual, TAU) keine signifikanten Veränderungen gab. Ebenso nahm die Zahl der Patienten, die die diagnostischen Kriterien für Depressionen vollständig erfüllten, in der MBCT-Gruppe deutlich stärker ab als in der TAU-Gruppe.
Obwohl die Stichprobe klein und die Verallgemeinerbarkeit begrenzt ist, liefern die Ergebnisse weitere Hinweise darauf, dass ein achtsamkeitsbasierter Therapieansatz erfolgreich aktuelle Symptome von Depressionspatienten reduzieren kann.
Die Studie Does Mindfulness Training Improve Cognitive Abilities? Deutet darauf hin, dass Achtsamkeitstraining die Aufmerksamkeit verbessern könnte. Frühe Phasen fördern die Fähigkeit, Wichtiges zu erkennen und die Aufmerksamkeit gezielt zu steuern. In späteren Phasen, in denen es mehr um das offene Wahrnehmen von Gedanken und äußeren Eindrücken geht, scheint sich vor allem die Fähigkeit zu verbessern, über längere Zeit aufmerksam und entspannt präsent zu bleiben.
Allerdings gibt es methodische Schwächen und teils widersprüchliche Ergebnisse. Weitere hochwertige Studien sind nötig, um diese Erkenntnisse zuverlässig zu bestätigen.
Wie Achtsamkeit im Alltag unser Leben verändert
Achtsamkeit ist natürlich nicht nur für die Therapie, sondern auch für unseren Alltag ein unschätzbares Werkzeug. Sie lässt sich in verschiedenen Lebensbereichen anwenden, um mehr Fokus, Gelassenheit und Zufriedenheit zu erlangen:
- Im Büro: Achtsamkeit hilft, den Fokus zurückzuerlangen, wenn der Arbeitstag hektisch wird. Kurze Atempausen oder eine kurze Meditation können Wunder wirken, um den Kopf freizubekommen und sich neu auszurichten.
- Morgens: Statt einfach nur aufzustehen und in den Tag zu hetzen, hilft sie, den Tag bewusst zu beginnen. Ein achtsames Ritual am Morgen fördert ein positives Mindset und gibt uns Klarheit für die bevorstehenden Aufgaben.
- Bei Haushaltsaufgaben: Unliebsame Aufgaben wie das Abwaschen oder Staubsaugen müssen nicht stressig sein. Achtsamkeit hilft, diese Aufgaben als Gelegenheit zu sehen, in den Moment zu kommen. Indem du deine Aufmerksamkeit auf die Handlung selbst richtest – das Hören des Staubsaugers, das Gefühl des Wassers beim Abwaschen – wirst du feststellen, dass diese Tätigkeiten nicht nur weniger unangenehm sind, sondern sogar ein Gefühl der Erfüllung vermitteln können.
- Beim Spaziergang: Statt gedankenverloren durch die Gegend zu laufen, hilft sie hier, den Spaziergang bewusst zu erleben. Nimm die Geräusche der Umgebung wahr, achte auf den Rhythmus deiner Schritte oder beobachte die Farben und Formen der Natur. So wird ein einfacher Spaziergang zu einer Übung im Hier und Jetzt.
- Vor dem Schlafengehen: Nutze Übungen, um den Tag zu reflektieren und abzuschließen. Ein kurzer Moment der Achtsamkeit vor dem Schlafengehen kann dir zudem helfen, den Kopf zu beruhigen und die Schlafqualität zu verbessern.
Achtsamkeit: Eine Praxis, die jeder erlernen kann
Das Beste ist, dass sie jeder erlernen kann – unabhängig von Alter oder Lebenssituation. Sie erfordert keine speziellen Vorkenntnisse oder teure Ausrüstung. Es geht einfach darum, sich selbst mit Aufmerksamkeit und Offenheit zu begegnen. Mit regelmäßiger Übung wird Sie zu einem kraftvollen Begleiter, der uns durch den Alltag hilft.
Ob im Umgang mit Stress, bei der Lösung psychischer Probleme oder einfach nur, um den Alltag bewusster zu erleben – Achtsamkeit ist der Schlüssel zu einem erfüllteren Leben.

Übungsliste
Hier findet Ihr eine kleine Auflistung von Übungen, welche Ihr erlernen und in den Alltag integrieren könnt. Viele davon sind ebenfalls bereits in verschiedenen Therapiekonzepten integriert. Da Achtsamkeit aber mehr eine Haltung als eine einzelne konkrete Übung ist, kann alles in eine Übung verwandelt werden, um sie zu trainieren.
Mir persönlich fällt es allerdings leichter, wenn ich auf konkrete Übungen zurückgreifen kann, welche ich ausprobieren und erlernen kann, um genau zu wissen, welche Übungen für welche Situation für mich persönlich die beste ist. Beispielsweise helfen mir manche Übungen besser einzuschlafen und andere machen mich wach und konzentriert, wieder andere beruhigen mich, wenn ich gestresst, angespannt oder ängstlich bin.
Probier dich auch und lass uns an deiner Erfahrung teilhaben. Vielleicht kennst du ja noch eine tolle Übung, die wir in der Liste ergänzen können.
Atemübungen
- Bauchatmung
- 4-7-8 Atemtechnik
- Wechselatmung nach Nadi Shodhana
- Boxatmung
- Atemmeditation
- Dreiecksatmung
Motorische Achtsamkeitsübungen
- Progressive Muskelentspannung
- Tai Chi
- Body Scan Meditation
- Yoga
- Feldenkrais Methode
Logische Achtsamkeitsübungen
- Rückwärts zählen von 100 in 7er-Schritten
- Gedankenstopp-Technik
- Kognitive Umstrukturierung
Sinnesübungen
- „Bodyscan“
- „Sinnesreise“
- „Der heiße/kalte Stein“
- „Sinnes-Wahrnehmungsschritte“
- „Sinnesfokus-Übung“
Entspannungsübungen
- Traumreise
- Bodyscan Meditation
- Geführte Meditation zur Entspannung
- Autogenes Training
- Progressive Muskelentspannung
- Atemfokus-Entspannung
Gruppenübungen
- „Ich packe meinen Koffer“
- „Stille Post“
- „Ball über die Linie“
- „Wortketten“
- „Zahlenbombe“

Geschrieben von Denise Greve
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