Horst Conen: Sei Gut Zu Dir, Wir Brauchen Dich.
Erschienen im Campus Verlag, Frankfurt am Main, 2005), 249 Seiten, 17,99 EUR
Worthülsen, Durchhalteparolen und ein Mangel an konkreten Beispielen zur Umsetzung der gemachten Ratschläge – so enttäuschen die meisten Bücher, die eigentlich Anleitungen zur Selbsthilfe und Persönlichkeitsentwicklung sein wollen. Umso überraschender also, dass der renommierte Coach und Autor Horst Conen mit seinem Selbstfürsorge-Bestseller Sei Gut Zu Dir, Wir Brauchen Dich tatsächlich nicht in diese Fallen tappt.
Selbstfürsorge als Gegenmittel zum Burnout
Burnout, da ist sich Conen sicher, ist mittlerweile ein gesellschaftliches Massenphänomen. Indem wir darauf achten, die Bedürfnisse aller anderen um uns herum zu erkennen und zu erfüllen, stecken wir selbst zurück – und zwar so sehr, dass wir uns, ohne es zu merken, schon längst in einem Zustand der ständigen Überforderung, des Lebens am emotionalen Limit, befinden.
Signale unseres Körpers, die uns dazu anhalten sollen, eine Pause einzulegen, ignorieren wir. Doch selbst wenn wir uns des Problems bewusst sind, wissen wir häufig dennoch nicht, wie wir überhaupt damit umgehen sollen.
Diese Überlegungen stellen die Grundlage von Conens Ratgeber dar. Man könnte nun behaupten, es handele sich hierbei um eine Simplifizierung einer weitaus komplexeren Problematik – schließlich sind die möglichen Ursachen für ein inneres Insuffizienzerleben vielfältig. Denn ein Insuffizienzgefühl, in dem sich ein Mensch wertlos und nicht fähig fühlt, Leistung zu erbringen, kann dauerhaft Schuld- und Schamgefühle hervorrufen.
Einladung zur Selbstreflektion
Doch letztlich geht es Conen gar nicht so sehr um das Warum, sondern vielmehr um die Frage danach, was wir uns eigentlich wünschen. Was tut mir selbst überhaupt gut, wie stelle ich mir mein Leben vor und wie gehe ich mit Erwartungen von außen um? Auf gut 260 Seiten lädt er daher dazu ein, sich selbst und seine Bedürfnisse wieder aktiver wahrzunehmen, zu identifizieren und zu würdigen.
Hierbei distanziert er sich jedoch explizit von dem Vorwurf, es handele sich bei selbstfürsorglichem Handeln um eine Form des Egoismus: denn letztlich zielen seine Strategien darauf ab, nicht anderen die Verantwortung für den eigenen Stress zuzuweisen, sondern vielmehr bei sich selbst nach Lösungen zu suchen.
Praxisnahe Wegweiser auf dem Pfad zum Erfolg
Um das zu erreichen, gibt Conen seinen Lesern zahlreiche Hilfsmittel mit auf den Weg. So finden sich in Sei Gut Zu Dir unzählige Ratschläge zum Ändern erlernter, doch langfristig schädlicher Verhaltensweisen. Eine regelmäßige Auseinandersetzung mit der Vergangenheit soll hierbei ebenso hilfreich sein, wie die Untersuchung eigener Motivationsmuster, oder auch eine Rückkehr zu Intuition und Bauchgefühl.
Hier verlässt er sich nicht auf hohle Phrasen, Motivationssprüche und verwaschene Anleitungen für den Alltag und wartet stattdessen mit Anekdoten aus seiner langjährigen Erfahrung als Coach auf. Konkrete Vorschläge und Beispiele zur Umsetzung seiner Methoden runden Conens Ansatz ab. Sie vermitteln seinen Lesern den Eindruck, ohne großen Aufwand, aber mit klarer Vision direkt durchstarten zu können auf ihrem Weg zu mehr Selbstfürsorge im Alltag.
Hand in Hand zur Psychotherapie
Ebenfalls wichtig: Conens Ton bleibt durchgehend unterhaltsam und positiv. Leser werden an die Hand genommen und auf sanftem Weg an der aus der Psychotherapie stammenden Methoden zum freundlicheren Umgang mit sich selbst herangeführt. Somit richtet sich Sei Gut Zu Dir an all jene, die sich müde, vom Leben erschlagen und ausgebrannt fühlen, zeigt Wege auf, mit den eigenen Ressourcen sparsamer umzugehen und Stress und Perfektionismus im Alltag zu minimieren, ohne seine Leser von oben herab oder mahnend anzusprechen.
Nur ein erster Schritt
Bei aller Anwendbarkeit und Praxisnähe muss jedoch auch bedacht werden, dass es sich bei Conens Ratgeber letztlich nur um einen ersten – wenn auch großen – Schritt in Richtung Selbstfürsorge handelt. Sein Schwerpunkt liegt hierbei eindeutig auf Methoden, die zur Selbstreflektion und dem somit ermöglichten Bruch mit alten schädlichen Verhaltensmustern ermutigen sollen. Hiervon kann zunächst einmal die Mehrheit der Leser profitieren.
Trotzdem sollte man auch nicht vergessen, dass hinter Stress und Überforderung im Alltag auch Probleme stecken können, die sich ohne Hilfe und Unterstützung nur bedingt lösen lassen – oder deren Auslöser man womöglich alleine nicht vollständig erkennen kann.
Andere Problemlösungsstrategien erweisen sich womöglich zudem in einigen Situationen als unrealistisch oder nur teilweise umsetzbar: so fordert Conen beispielsweise zur vehementen Verteidigung der eigenen Grenzen und zu einem unbedingten Beharren auf Reziprozität auf. Ob diese Ratschläge auch, zum Beispiel im beruflichen Alltag, immer genauso anwendbar sind, bleibt fraglich. Hier sollten Leser sich auf ihr eigenes Feingefühl verlassen und ihr Gespür für Nuance unter Beweis stellen.
Dennoch: Alles in allem handelt es sich bei Sei Gut Zu Dir um eine einfühlsame, lebensnahe Einführung in die Selbstfürsorge-Thematik, die, anders als viele andere Ratgeber, in einem undurchdringlichen Phrasendschungel nicht das Ziel vor Augen verliert.