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Buchrezension, Mann mit Zeitung, blauer Himmel

Bei Büchern zum Thema Persönlichkeitsentwicklung bin ich grundsätzlich skeptisch. Und so lag Unfuck Yourself eher weiter unten in meinem Stapel, auch wenn es sich immerhin um die deutsche Übersetzung des Buches des New-York-Times-Bestsellerautors Gary John Bishop handelt – und ich hier auf ein Charakterbildungsbuch der oberen Riege hoffte. Als ich dann das Buch gelesen habe, war ich enttäuscht, aber stellenweise auch positiv überrascht.

Worthülsen und Phrasen in Unfuck Yourself

Denn auch wenn Gary Bishop dort enttäuscht, wo nahezu jedes Buch zur Persönlichkeitsentwicklung enttäuscht, setzt er sich vereinzelt erfreulich von der Konkurrenz ab. Doch bevor man bei diesen Höhepunkten ankommt, an denen Bishop den Wettbewerb überholt, muss man sich zunächst durch einen Dschungel an leeren und altbekannten Worthülsen kämpfen. Etwa: “Du musst keine Lösung finden, du bist die Lösung”. Es fehlen, wie in vielen vergleichbaren Büchern, konkrete Ansätze, Beispiele wirken lebensfremd und Passagen lesen sich fast beleidigend wiederaufbereitet.

Vulgärstoizismus

Und immer wieder die verwaschenen Praxisanleitungen, ebenfalls in Unfuck Yourself. Wie soll ich die geforderten Änderungen umzusetzen, fragen sich Leser von Büchern zum Thema Persönlichkeitsentwicklung oft. Zurecht, auch bei Unfuck Yourself, denn meist herrscht zwischen und hinter dem vertrauten Vokabular der Motivationsphrasen betretene Stille. Und auch beim Klischeebingo (Ausgabe für Persönlichkeitscoaches) räumt Bishop wenig ruhmreich ab. Etwa, wenn er stoizistische Philosophie zerstückelt-aphoristisch ohne rechten Kontext in ein frühes Kapitel einstreut, dessen Einleitung manche als zynisch empfinden würden. Und so ist es auch seine stellenweise immer wieder vulgäre Interpretation der Stoa. Diese führt schließlich auch zu dem schalen Gefühl, welches sich in Kapitel 4 (Titel: “Ich habs kapiert”) schließlich einstellt.

Bishops Erfolgskonzept: Selbstakzeptanz und Selbstfürsorge

Doch zwischen der wohlbekannten und ausgestopften Leere von Motivationsphrasen und Durchhalteparolen gelingt Bishop etwas, das ich bisher selten in vergleichbaren Publikationen gefunden habe. Er beginnt mit einer authentischen Forderung nach Selbstreflexion und liefert im Anschluss eine Definition von Erfolg. Bishops Erfolgskonzept in Unfuck Yourself beruht auf einem klugen Verständnis von Selbstakzeptanz und Selbstfürsorge. So fordert er zunächst nachvollziehbar die Änderung von Kleinigkeiten und kann erfolgreiche Alltagsstrategien bildhaft beschreiben.

Zum Glück nicht wieder die 1%-Methode

Nicht im Sinne der bekannten 1%-Methode, nein, er fordert tatsächliche Kleinigkeiten. Kleinigkeiten, die wir ändern sollen, damit wir uns verändern. Dafür sollen wir uns laut Bishop nicht etwa eine Stunde am Tag nehmen, nicht einmal fünf Minuten. Wir brauchen auch keine Umgebung meditativer Ruhe, nicht einmal diesen berühmt-berüchtigten ungestörten Moment. Wir sollen vielmehr lernen, uns im Alltag selbst zuzuhören, und das genauso beim alltäglichen wie großen Wünschen. Es scheint wie eine Anleitung, eine Einladung zu einem freundlichen, aber offenherzigen inneren Monolog. Doch auch hier bleibt er leider vage, und uns Beispiele schuldig.

Selbstakzeptanz und Selbstfürsorge als roter Faden in Unfuck Yourself

Aber: So kommt Gary Bishop zu Definitionen von Selbstakzeptanz und Selbstfürsorge, die Unfuck Yourself glaubwürdiger als viele Vorgänger im Genre macht. Bishop setzt Selbstakzeptanz als Basis eines wandelbaren Bewusstseins für den Umgang mit uns selbst. Wenn wir reflektieren, was wir über uns selbst annehmen, natürlich, im Alltag, uns in kleinen Schritten die tausende Male prokrastinierten Zukunftspläne in die Gegenwart holen und umsetzen, dann haben wir einen Prozess begonnen, der laut Bishop Erfolg verspricht. Einen Prozess, in dem durch Selbstakzeptanz eine langfristige Selbstfürsorge erwächst. Als Methode, auch diese führt der Persönlichkeitsentwicklungsexperte ansprechend ein, kann das ehrliche und aufrichtige Gespräch mit uns selbst dienen.

Eine halbe Leseempfehlung

Alles im allem: Unfuck Yourself: Raus aus dem Kopf, rein ins Leben war stellenweise gut. Es ist eine halbe Leseempfehlung, denn auch wenn Bishop mit neuen Erkenntnissen aufwartet, und das Buch leicht verständlich geschrieben ist, muss der Leser sich doch an einigen Stellen durchkämpfen. Das ist dem altbekannten Phrasendschungel, ohne den viele Bücher zum Themenkomplex Individuation nicht auskommen, zu verdanken. Wer solche Seiten überblättern und Absätze überspringen kann, auf den warten die verborgenen Schätze des Buches. Sie helfen, einen neuen Blick auf die eigenen Prioritäten zu werfen und ein neues Verständnis von Selbstakzeptanz und Selbstliebe zu entwickeln. Diese kann schließlich in der Praxis erfolgreicher Selbstfürsorge nachhaltige Änderungen in der Lebensführung ermöglichen.

Wenn Ihr Euch fragt, wie Ihr konkret helfen könnt, haben wir hier schon mal eine Reihe von Möglichkeiten zusammengestellt, die ihr selbst umsetzen könnt. Denn: Um in Deutschland nicht nur anzukommen, sondern auch Fuß fassen zu können, sind geflüchtete Menschen auf aktive Unterstützung und Hilfe angewiesen.